
Und – jenseits von Falsch oder Richtig
Neuro-Linguisten erforschen die Struktur subjektiver Erfahrung und deren Folgerungen und erleben Harald/Franny Berenfänger in einer Person
von Jörg Brokmann
Braunschweig. Weiße Bluse, schulterlanges hellblondes Haar, rote Brille und rote Wollstrümpfe unter grauem Rock. Da stehen sie, der Harald und die Franny Berenfänger.
Der Souveränitäter
Über Jahrzehnte scheint der Philosoph und Souveränitäter, wie er sich selbst nennt, genau zu wissen, wo seine Prämissen liegen, berät große Firmen, erklärt ihnen, wie Mann beruflich und persönlich gekonnt auftritt, Führungskraft stärkt, neue Wege findet, gute Entscheidungen trifft, gesunde Verbindungen schafft – mit anderen und mit sich selbst. Eben jene Dinge, die Coaches ihren Klienten mitgeben, um in jeglicher Hinsicht erfolgreich und zufriedener durchs Leben zu gehen.
Männlichkeit im 21. Jahrhundert
Die Väter gGmbH schwärmt über ihn, dass er „ pointiert in Worte fassen kann, was Männlichkeit im 21. Jahrhundert sein kann“, heißt es auf seiner Website.
Soweit.
Nun wirkt Berenfänger vor Experten und Expertinnen ihres Fachs, die einem Kongress zum Thema „Neurolinguistisches Programmieren (NLP)“ beiwohnen, gar nicht so arg männlich. Er hält nicht nur ein flammendes Plädoyer für das „Und“, er verkörpert es, als Harald und Franny.
Überraschend unprätentiös.

Business-Coach Harald/Franny Berenfänger verkörpert das „Und“ und referiert darüber im ganzen Land. Foto: Berend Henriks
Wissen, wo es nicht langgeht
„Wir streiten uns den ganzen Tag, auf Facebook, auf Twitter, in den Medien. Jeder weiß genau, wo es langgeht oder besonders, wo es nicht langgeht“, sagt er. Harald schlägt vor, das Richtig oder Falsch in etwas Neues zu überführen, in etwas Freundliches, „dorthin wo wir besser miteinander klarkommen“. Aus seiner Sicht biete das „Und“ nicht das „Oder“ einen wunderbaren Ansatz, nämlich zu schauen, dass es bei verschiedenen Standpunkten auch immer gemeinsame Lösungen gebe – im Geschlecht, im Coaching und auch im wahren Leben.
Blondi, Brust und tiefe Stimme
Dieser Harald und diese Franny passt hervorragend auf die Veranstaltung der Neuro-Linguisten in Braunschweig. Allein der Begriff ruft bei vielen Menschen Befremden hervor: Neurolinguistisches Programmieren – beim Bundeskongress des Verbandes (DVNLP) in Braunschweig wird über das eigene Selbstverständnis diskutiert.
„Feel it — Gefühle“, lautet die Überschrift, unter der sich externe Referenten und Referentinnen sowie gut 100 Interessierte fachlich austauschen.
Experte empfiehlt Soft-Branding
Im Impuls-Referat geht Professor Dr. Uwe Seebacher, Betriebswirt und Marketingexperte von der Universität München, auf die Herausforderungen ein, mit denen sich NLP in der Zukunft beschäftigen muss.
„NLP und damit verbundene Organisationen müssen ein Soft-Rebrandung realisieren, damit Begrifflichkeiten wie Manipulation überwunden werden“, sagt der Österreicher. Denn nur dadurch werde es möglich sein, die Akzeptanz bei Unternehmen für das Thema zu erhöhen.
Kritik aus der Wissenschaft
NLP wurde von dem Psychologen Richard Bandler und dem Linguisten John Grinder Anfang der 1970er Jahre an der University of California in Santa Cruz entwickelt. Sie definierten es als das „Studium der Struktur subjektiver Erfahrung und der Folgerungen daraus“.
Es konnte seine Wirksamkeit wissenschaftlich bisher nicht nachweisen und wird von Gegnern als Parawissenschaft eingestuft. Das aggressive Marketing von NLP führe nämlich dazu, dass Menschen Zuflucht zu Methoden nehmen, deren Wirksamkeit nicht bewiesen sei und die teilweise sogar mehr Schaden anrichteten als helfen, formulieren die Kritiker.

Prof. Dr. Uwe Seebacher, Uni München, empfiehlt ein „Soft-re-Branding“, um den Vorwurf der Manipulation zu überwinden. Foto: Berend Henriks
Fachwissen effektiv einsetzen
Uwe Seebacher hingegen meint: „In Zeiten, in denen 80 Prozent der Projekte nicht innerhalb des vorgesehenen Budgets und des Zeitraumes abgewickelt werden, ist Methoden- und Strukturwissen entscheidend, um Fachwissen effektiv einsetzen zu können.“ Dabei könne NLP-Methodik helfen.
Eine der erfolgreichsten Vertreterinnen ist die Wirtschaftspsychologin Martina Schmidt-Tanger, die mit ihren emotionalen Vorträgen über „Fühlen und Reden“ ihre Zuhörerinnen und Zuhörer beeindruckt und zum Mitmachen animiert.
NLP erstmal nur für Frauen
„Ich habe mir vorgenommen, in naher Zukunft nur Frauen zu coachen, ihnen das richtige Selbstbewusstsein zu vermitteln, nicht zurückhaltend, sondern laut und voller Überzeugung“, zieht sie sämtliche Register eines kompetenten und erfolgreichen Coaches – den wissenschaftlichen Kritikern zum Trotz.
Ein kleines Stück vom Kuchen
Christian Wermke aus Kaiserslautern brennt für den Bereich professionelles Verhandeln und wirbt dafür, sich mit diesem Handwerk konkret auseinanderzusetzen. „Wer es nicht gelernt hat, wird nicht die bestmöglichen Ergebnisse erzielen“, lautet sein Credo.
NLP könne in der Form dabei helfen, dass man durch Klarheit und unterschiedliche Techniken wie Rapport (in Einklang sein) oder Meta-Fragen Erfolge erziele. „Um es einfacher auszudrücken: Es ist besser, ein kleines Stück vom großen Verhandlungskuchen zu haben als keines.“
Verbandsvorsitzender Ralf Dannemeyer unterstreicht die große Palette der Themen, mit denen sich seine Coaches, Trainerinnen und Trainer beschäftigen: Überforderung, Urängste, die Macht der Werte, Freudeforschung, emotionale Intelligenz oder auch Zuversicht in Krisenzeiten. Um nur einige zu nennen.
Zuversicht wecken
aus der Braunschweiger Zeitung vom 22. Dezember 2022