Mit Moped und Navi im diesigen Gebirge

Navigationsgeräte betrachten manche Biker als Segen, andere verlassen sich auf Karte und Gefühl

Von Jörg Brokmann

Elm/Harz. Die Sonne brennt vom Himmel. Mopedfan, was willst Du mehr? Die hiesigen Mittelgebirge Harz und Elm schreien förmlich nach Eroberung. Über die Dörfer nähere ich mich mit meiner gemütlich vor sich hin blubbernden Street Glide dem Burgberg von unten. Der Plan ist, quer durch den Harz eine stressfreie, altersgemäße Motorradtour nach Göttingen zu unternehmen – mit kurzen Stopps zum Plausch oder gar Fachgespräch mit Gleichgesinnten. Ich muss an dieser Stelle einräumen, dass ich eigentlich ein reiner Schönwetterfahrer bin, der sich Unbillen auf den zwei schnellen Rädern nur ungern aussetzt. Ich weiß, damit bin ich nicht allein. Die Idee hinter meinem Ausflug mit Übernachtung lautet: Mein Navigationsgerät führt mich zielsicher durch die interessanten Ecken des Harzes, ohne dass die Gefahr besteht, dass ich die Orientierung verliere. Eine Aufgabe, die ich mir durchaus zutraue, schließlich kurve ich zum zigsten Mal durch dieses Gebirge, wenn auch sonst meist mit Auto oder Fahrrad.

Mit purer Fahrfreude

Was Hunderte Biker jedes Wochenende voller Wonne erleben, sich einfach mit purer Fahrfreude treiben lassen, genau das habe ich vor – eben nur mit einer beruflichen Verpflichtung verbunden. Doch es soll ganz anders kommen. Beim Cruisen Richtung Torfhaus kühlt es plötzlich ab, ich schließe meine neue Motorradjacke bis zum Hals. Alles kein Problem bis zu dem Zeitpunkt, als sich zarter Nieselregen dazugesellt. Sprühregen, der sich über den Asphalt verteilt. Sei gewarnt, denke ich mir. Die Autokolonne vor mir verringert die Geschwindigkeit, ich schlängele mich mit der Harley an den vorsichtig dahintuckernden Autos vorbei – mit gemischten Gefühlen.

Sicht geschätzt bei 30 Metern

Meine Gefühlslage ob der Entwicklung des Wetters sollte mich nicht täuschen. Kurz vor dem letzten Anstieg zieht es sich vollständig zu, liegt die Sicht bei geschätzten 30 Metern. Die Lust zum Plaudern ist mir auf Höhe der Bavaria-Alm vergangen, zumal ich von der gegenüberliegenden Straßenseite die wenigen pausierenden Biker nur schemenhaft erkenne. Noch spüre ich eine gewisse Gelassenheit, die Straßenführung ist bekannt, und schließlich verfüge ich über mehr als 40 Jahre Erfahrung auf dem Hobel. Was kann mir schon bei angepasster Geschwindigkeit passieren? Viele Biker rasen mit stark aufgedrehtem Gashahn und weit höherem Tempo beispielsweise auf der Autobahn an mir vorbei – bei hochspritzender Gischt. Also.

Ausrüstung verbesserungswürdig

Meine Vorbereitung ist durchwachsen, die persönliche Ausrüstung durchaus verbesserungsbedürftig, was bei diesem Wetter nicht von Vorteil ist. Der ADAC weiß Rat: Besonderes Augenmerk sollte auf dem Anbremsen vor Kurvenliegen. Einkalkuliert werden müsse zudem, dass mancher nasse Straßenbelag zur Rutschbahn werden kann. Aha! Leidige Bitumenstreifen oder weiße Fahrbahnmarkierungen können noch glitschiger sein. Das gilt auch für Kanaldeckel, Metallplatten vor Brücken, Sand oder verschmutzte Straßen–besonders in ländlichen Gegenden oder auch in den Alpen, wo Land- und Weidewirtschaft betrieben werden. Die volle Kontrolle über die Straße sei unerlässlich für die eigene Sicherheit und die der anderen. Wohl wahr. Meine Abfahrt über St. Andreasberg abwärts nach Herzberg mit mehreren Haarnadelkurven und teilweise verschmutzter Fahrbahn erweist sich bei mieser Sicht und beschlagenem Visier als äußerst anspruchsvoll. Mein Navigationsgerät ist Gold wert. Trotz schleichendem Tempo ist höchste Aufmerksamkeit gefordert. Ohne Navi hätte ich vermutlich aus Vernunftsgründen eine Regenpause eingelegt.

Sicher bis Sieber navigieren

Ich lasse mich sicher bis zum Freibad in Sieber navigieren, bin froh über den Stopp und einen frischgebrühten Kaffee. Die Hände sind klamm, meine zu dünne Hose feucht, meine Jacke hält, was der Hersteller verspricht. Es klart auf, meinen Termin in Göttingen kann ich halten. Auf dem Rückweg am nächsten Tag ergibt sich bei strahlendem Sonnenschein die Gelegenheit, das Thema Navi am Torfhaus anzusprechen. „Das ging uns allen mal so“, sagt Ralf Nitsche (62) aus Goslar, der über jahrzehntelange Erfahrung verfügt. Er ist mittlerweile per Bluetooth über den Helm mit dem Navi verbunden. „Das hilft kolossal und verbessert die Verkehrssicherheit.“

Kein Platz für Schnickschnack

Jens Wonneberger (58) hat sein Handy über USB-Anschluss ans Krad angeschlossen und daran auch befestigt. Er orientiert sich über Google Maps. „Ich sehe nur Vorteile, man fühlt sich sicherer.“ Meinem Vorurteil, dass der wahre Biker auf dieses moderne, im Straßenverkehr fast selbstverständliche Hilfsmittel verzichtet, leistet Dominik Klippstein (30) Vorschub. Er hält nichts von dieser Unterstützung. „Ich gucke vorher auf eine Karte und heize los.“ Auch bei Regen scheue er dieses Risiko nicht, sagt der Eichsfelder, schwingt sich auf seine Harley Davidson „Breakout“ und braust los. Ihm fehle auch der Platz für derartigen Schnickschnack auf dem nackten, karg ausgestatteten Boliden mit dem breiten Socken auf der Hinterradfelge.

Kurvenfähigkeiten testen

Nach dieser interessanten Plauderei gönne ich mir erneut den Weg aus dem Harz über die Dörfer und Wolfenbüttel in das zweite Ziel dieses Wochenendes. Gern schnurre ich durchs Reitlingstal zum Tetzelstein hoch. Ideal für mich, um auf bekanntem Terrain im Elm bei idealen Wetterbedingungen und wenig Verkehr meine Kurvenfähigkeiten auf die Probe zu stellen.

Meinem Mann hinterher

Am beliebten Halt auf dem Parkplatz treffe ich auf Familie Kraft. Beide sind motorisiert mit einer BMW GS, dem Enduro-Tourer aus München. Trotz heftigem Sturz vor einigen Jahren zeigt Tina (59) deutlich Flagge: „Dieses Gequatsche vom Navi macht mich irre. Ich fahre meinem Mann hinterher.“ So geht es auch.