Joggen lässt Ideen nur so sprudeln
Ein kleines Läufchen eröffnet am Morgen oder als Abschluss des Tages neue Perspektiven – in Kopf und Körper, unabhängig vom Tempo.
Von Jörg Brokmann
Braunschweig. Durch Bewegung entsteht Bewegung. Gerade in diesen Tagen gewinnt diese von dem Psychodramatiker Moreno formulierte Erkenntnis immer mehr an Bedeutung. Einer Vereinsamung, dem Gefesseltsein an das Zuhause, an den Bürostuhl, an das Homeschooling mit den Kindern gilt es, etwas entgegenzusetzen. Um seiner selbst Willen. Die Möglichkeiten sind nicht vielfältiger Natur. Im Gegenteil. Kontaktbeschränkungen verhindern noch den persönlichen Austausch mit Freund*innen oder Kolleg*innen, man ist bisweilen in sich gefangen. Diesem unfreiwilligen Käfig zu entkommen, heißt das Ziel. Mit einem lockeren Läufchen beispielsweise.
Um sechs klingelt der Wecker
Am Morgen um sechs Uhr klingelt der Wecker, wenn die Nacht nicht ohnehin schon beendet war, nachdem die Alltagssorgen und deren Bewältigung den Schlaf geraubt hatten. Vögelgezwitscher, Schlaf in den Augen, lahmes Laufgestell. Jetzt tritt die entscheidende Phase ein. Schaffe ich es, den inneren Schweinehund zu überwinden oder gelingt es mir, fantasievolle Ausreden zu finden, mich an diesem eventuell grauen Morgen nicht in Bewegung zu setzen.
Aller Anfang ist schwer
Selbstverständlich trifft in dieser Situation die altkluge Erfahrung zu, dass aller Anfang schwer ist. Besonders dann, wenn man auf sich allein gestellt ist. Der erste Tipp für Einsteiger lautet: „Fange im Frühjahr mit Deiner Aktivität an, wenn die Sonne gleich bei den ersten Schritten Deinen Körper erwärmt.“ Allein die Vorstellung davon motiviert, die Intensität dieser Stunden, mit dem roten Feuerball in der Ferne am Horizont, in meinem konkreten Fall bei klarer Sicht den konkreten Brocken, Niedersachsens höchster Berg im Harz, so nah und doch so fern. Wie das Ende des Frühlaufes.
In aufrechter Haltung auf den Füßen
Übrigens bedeutet Laufen nur, „sich in aufrechter Haltung auf den Füßen in schnellerem Tempo so fortzubewegen, dass sich jeweils schrittweise für einen kurzen Augenblick beide Sohlen vom Boden lösen“. Aha! Nachzulesen in Runnersworld. Aufschlussreicher für den geneigten „Neu-Beweger“ vielleicht die Definition, dass es eigentlich eine andere Bezeichnung für Joggen und auch für Dauerlauf sei, wobei es Unterschiede im Tempo gäbe. Genau. Ein Läufer laut Laufcampus sei schneller unterwegs als ein Jogger. Dieser praktiziere die etwas langsamere Variante des Dauerlaufs. … Die sogenannten Flugphasen fänden auch beim Joggen statt. Dann bin ich beruhigt.
Piepegal
Bei aller dieser Theorie ist mir persönlich diese Unterscheidung piepegal.
Wenn Ich mich also um zwischen sechs und halb sieben in der Früh, je nachdem, wie schnell ich mich aus dem Bett schwinge, auf meine 6,5 Kilometer lange Strecke begebe, denke ich ich nicht an spitzfindigen Begrifflichkeiten, sondern bisweilen an reines Durchkommen, quäle mich mit den Flugphasen ab. Ja, ja! Laufcampus schlaubergert: Wie schnell Du am besten läufst, hängt ganz einfach von Deinen körperlichen und mentalen Voraussetzungen und Deinen Zielen ab. Die durchschnittliche Geschwindigkeit von Joggern variiert dementsprechend stark.
Stolz und Adrenalin
Ach nee. Noch vor gut 17 Jahren schleppte ich mich voller Stolz und Adrenalin in gutgerechneten vier Stunden durch den Berlin-Marathon, heutzutage liege ich in der Familienwertung ein bis zwei Minuten pro Kilometer hinter meinen Familienmitgliedern. Meine Frau gibt sich morgens großherzig und stellt sich auf mein Tempo ein.
Der „Jog“ durch die Auen unseres kleinen Flüsschens Schunter, in der Balzzeit angegriffen von Mäusebussarden, die um ihre Jungen fürchten, erfüllt mich mit großer Freude, lässt mich auf wunderbare Weise sinnieren über die Aufgaben des Tages. Nicht immer, aber oft sprudeln die Ideen. Geplaudert wird selten, bei Schwächephasen hilft es indes, über die Runden zu kommen.
Marathonläufer ade!
Der Marathonläufer Brokmann gehört eindeutig der Vergangenheit an. Und es macht mir mitnichten etwas aus. Und wenn der Arzt rät, ein Herz-Kreislauftraining sollte mindestens jeden zweiten Tag durchgeführt werden. Wichtig sei die Intensität. Das Training sollte im aeroben Bereich durchgeführt werden. So würden Lunge und Herz gestärkt, die Durchblutung verbessere sich. 30 bis 45 Minuten pro Trainingseinheit seien ausreichend.
Mag sein. Meine persönliche Theorie lautet, jeder so wie er möchte.
Bei Rücken geht’s auf Rad
Forscher haben herausgefunden, dass zwei bis drei Stunden Training in der Woche ein Optimum für unsere Gesundheit darstellen. Weniger bringt weniger, mehr schadet. Ob morgens, abends, mittags. Völlig unerheblich. Zurzeit ist es bei mir der Rücken, der mich am Joggen hindert. Egal. Wird wieder. Nächste Woche. Derweil fahr ich eben Fahrrad.
Unsere alte Eiche
Ich bin übrigens Morgen meist glücklich, wenn wir unsere wunderschöne Eiche am Ende unserer Laufstrecke erreicht haben. Ein uralter Baum, um den sich geheimnisvolle Geschichten ranken. Ganz nach Moreno: Bewegung entsteht durch Bewegung. In Körper und Geist.